Auf meiner Reise zu den Dylan Konzerten in Prag und Linz musste ich an die Schallplatte "Wie im Schlaf" von Wolfgang Ambros denken. So kam es mir vor. Alles lief so nahtlos und ohne jegliches Problem Schritt für Schritt ab, wie ein langer Traum.
11. Juni: am Freitagmorgen 8:31Uhr (bedeckt und 19°C) fuhr ich mit der Eisenbahn (EC175 nach Budapest Keleti pu) vom Hamburger Hauptbahnhof ab. 7 Stunden später, vorbei an blühenden Landschaften in Brandenburg und Sachsen, lief der Zug in Praha hlavní nádraží ein (sonnige 35°C). Von dort zu Fuß zum Václavské náměstí, wo Sprengwagen die Straße mit Wasser besprühten. Dort hatte ich meine Unterkunft reserviert. Das Zimmer war ein unklimatisiertes kleines Apartment mit Küchenzeile in einem Wohnraum, Schlafzimmer und Bad. Nach 'ner duschigen Erfrischung machte ich mich langsam auf den Weg zur U-Bahn. Mit der Linie B ging es zur O2 Arena. Ein paar Leute waren bereits da. Unter anderem lief dort auch Glen Hansard rum. Dem konnte ich dann schon mal erzählen, wie gut mir der Film Once und die Filmmusik von ihm und Markéta Irglová gefällt.
Um 18:30Uhr wurden die Pforten geöffnet. Die Kontrollen waren hier wie auf 'nem Flughafen. Taschendurchleuchter und abgepiepstwerden. Niedlich. Die Eintrittskarte wurde nicht abgerissen sondern diente als Türöffner per Barcode. Modern Times. Um halb 8 machte ich mich auf den Weg zu meinem Platz. Innenraum, Mitte, 9. Reihe. Um 8 ging das Licht aus und während der Off-Ansage: "Ladies and gentlemen, please welcome the poet laureate of rock 'n' roll. The voice of the promise of the 60's counterculture. The guy who forced folk into bed with rock. Who donned makeup in the 70's and disappeared into a haze of substance abuse. Who emerged to find Jesus. Who was written off as a has-been by the end of the 80's, and who suddenly shifted gears releasing some of the strongest music of his career beginning in the late 90's. Ladies and gentlemen - Columbia recording artist Bob Dylan!" standen alle Leute zur standing Ovation für den Meister und seine Band auf. Los ging es mit "Rainy Day Woman #12 & 35". Voller Strom. Nun war es allerdings so, daß sich viele der Aufgestandenen nicht wieder auf ihre schönen teuren Plätze setzten sondern lieber die Sicht verstellten. Das gab einigen Aufruhr der ein paar Besucher mehr beschäftigte als die Show, die ohne Aufenthalt auf der Bühne weiterlief. Bei "Lay, Lady, Lay" entlockte Dylan seiner E-Gitarre ein paar hübsche Licks angefeuert von Mr. Charlie Sexton. Tony Garnier saß übrigens das ganze Konzert über. Auch in Linz. Weiß jemand was da los ist? Ein Lieblingssong folgte mit "Just Like Tom Thumb's Blues" und Bob war auch hier der Bluesmann am elektrischen 6 Saiter. Bei "Just Like A Woman" hatte er die ganze Arena als Chor hinter sich. Magisch. Das lockte ihn dann auch hinter der Orgel vor, hinter die er sich inzwischen verdrückt hatte, um seiner Bluesharp die Seele rauszublasen. Das hat scheinbar soviel Spass gemacht, daß Dylan gleich dort blieb und sich wieder die Gitarre schnappte und der Welt verkündete: "Beyond Here Lies Nothin'". Danach wieder Orgel. "Shelter From The Storm". Traumhaft. "Honest With Me" rockte fett ab. Während "Mr. Tambourine Man" (hab ich noch nie live erlebt) kam er wieder in die Mitte um gemeinsam mit Charlie ein paar Licks zu erfinden. "Cold Irons Bound" war für den Tod der nächsten Mundharmonika verantwortlich. Geil. Mein persönlicher Gänsehautmoment dieser Show kam mit dem "Workingman's Blues #2" Auch hier nochmal der Wechsel von Orgel zur Bluesharp. Der Mann legt eine Spielfreude an den Tag, daß es einfach schön ist zuzuhören und wer kann -sehen. "Highway 61 Revisited" an der Orgel runtergerockt. "I Feel A Change Comin' On" hab ich auch zum ersten Mal live erlebt. Nach "Thunder On The Mountain" musste wieder eine Harp ihr Leben aushauchen bei der "Ballad Of A Thin Man". Wo nimmt der Meister bloß die ganze Luft her. Wahnsinn. Dann kurze Pause und die Zugaben "Like A Rolling Stone", "Jolene" und "All Along The Watchtower". Ein Traum von Show war nun aus. Zurück zum Hotel, noch 2 Urquell die Kehle benetzen lassen und ab in die Heia!
Am Samstag, 12 Juni ging es nach kurzem Frühstück am Hauptbahnhof um 9:16Uhr weiter in einem Nahverkehrszug mit tollen alten Waggons (gepolsterte 6er Abteile und Fenster zum öffnen) weiter nach Linz über České Budějovice, dort umsteigen in einen weniger schönen, neueren CityShuttle der ÖBB. Linz Hauptbahnhof erreicht der Zug um 14:43Uhr. Hotel, Zimmer, Dusche, jaaa.
Um 16:00Uhr kam dann Jörg aus Hamburg an. Der wurde wiederum von seinen östereichischen Freunden Richard, Toni und Maria am Bahnhof abgeholt. Zusammen machten wir einen kleinen Stadtrundgang bis zur Donau hin. Zwischendurch hatten wir in der Stadt noch Richards Bruder Erwin eingesammelt. Dann in einem Biergarten noch schnell einen kleinen Happenpappen eingeworfen, als auch schon Rolling Thunder & Hard Rain kamen. Da war Shelter From The Storm von Nöten. Die war dann der Bus, der uns zur Tips Arena bringen sollte. Das Unwetter war allerdings hartnäckig und entwurzelte einen Baum, der dem Bus die Weiterfahrt verwehrte. Der Busfahrer war so freundlich uns solange im Bus bleiben zu lassen, bis es nicht mehr aus Eimern schüttete und wir uns zu Fuß auf den Weg zur Arena machen konnten. Hier war alles anders als in Prag. Kommt nur rein, ach so Eintrittskarten habt ihr auch? Na dann werden wir die mal abreißen... das erklärt möglicherweise den guten Mitschnitt, den es von der Show gibt... :-)
Auch hier war die Sicht wieder dahin sobald das Licht aus war. Die Leute rannten einfach nach vorn und die die vorher auf ihren Sitzen saßen, standen nun darauf. Bizarres Bild. Ein wenig wie die chinesische Tonarmee. Da konnten wir auch nicht sitzenbleiben und suchten uns während "Leopard-Skin Pill-Box Hat" einen Platz mit Sicht ohne jemandem dieselbe zu verstellen. "The Man In Me" war um sovieles schöner als letztes Jahr in Berlin. "I'll Be Your Baby Tonight" war noch nie mein Lieblingsstück, aber fein vorgetragen an der E-Gitarre! Dann kam das erste große Highlight: "Tangled Up In Blue" und der Meister weiter an den 6 Saiten. Zwischendurch wollte einer von 3 Ordnern unbedingt, daß wir unseren Platz räumen. Das war nicht so schön. Nach "The Levee's Gonna Break" kam schon das nächste größere Highlight mit "The Lonesome Death Of Hattie Carroll". Dylan kam jetzt wieder in die Bühnenmitte um mit Bluesharp bewaffnet "I Don't Believe You (She Acts Like We Never Have Met)" vorzutragen.
"The Ballad Of Hollis Brown" erlebte ich auch zum allerersten Mal! Diese Show war also mindestens ebenbürtig mit Prag! Nach "Honest With Me" folgte ein absolutes Highlight in Form von "What Good Am I?". Das Stück hatte er am 3. Juni in Sofia zum ersten Mal seit dem 11. November 1999 gespielt. Tom Jones hat es gerade erst gecovert. Hat das damit zu tun? Bob's neueste Performance von diesem Kleinod gefiel mir aber besser :-)) Höhepunkte über Höhepunkte: "Highway 61 Revisited" wurde gefolgt von "Not Dark Yet". Das ließ einige Besucher deutlich die Fassung verlieren. Wie schön war das denn?
"Thunder On The Mountain", "Ballad Of A Thin Man" kurze Pause... Atemloses klatschen auf allen Rängen und bei den Tonsoldaten. "Like A Rolling Stone" (Jörg meinte begeistert: Tolle Version), "Jolene" und all along the watchtower? Denkste Puppe. Dylan weiß zu überraschen (andauernd). "Forever Young" als Schlußstück ist selten aber wunderschön.
Nach der Show bekam ich von Erwin (der sich als eine Hälfte von 2 Of Us entpuppte) noch seine CD geschenkt. Das war total stark und freute mich sehr. Diese Scheibe hatte ich schon bei DylanCover gesehen, wusste aber nicht wie da ranzukommen ist. Lieber Erwin, nochmal ganz herzlichen Dank dafür, die Platte gefällt mir sehr sehr gut!
Dann haben wir uns alle in einem Café am Hauptbahnhof noch ein Getränk gegönnt.
Am nächsten Morgen war dann Heimreise angesagt. Nach einem guten Frühstück im IBIS Hotel machten Jörg und ich uns auf den Weg. ICE228 bis Würzburg und dann ICE880 nach Hamburg City Blue. Bob sei Dank für diese tollen Shows und den Grund, sich auf den Weg gemacht zu haben :-)
Achso, bevor ich es vergesse... In Linz am Bahnhof hab ich mir die neuen MOJO und UNCUT besorgt. In der Juli Ausgabe des MOJO Magazine ist ein bekanntes Foto vom Meister mit lustiger Bildunterschrift zum Thema Prioritäten:
Hallo Bert,
AntwortenLöschenvielen Dank für Deinen Bericht. Da kriege ich auch Lust A zu reisen und B wieder ein Dylankonzert zu besuchen. Da zehrt der Verehrer des Meisters eine Weile von ...
Gruß aus Özil-Stadt - äh - Bremen
Erfrischender Bericht - Danke!
AntwortenLöschenBis jetzt gucken wir hier in den USA fuer 2010 in die Roehre...bis viellecht im September.
Gruss von iris, Kalifornien, USA
Hallo Plattenkoch,
AntwortenLöschensehr bildhaft beschrieben, ich sehe Bob und Band förmlich vor mir.
Eine bessere Werbung für Dylan, Prag und Linz gibt's wohl kaum!
Und das sagt einer, der nicht gerade als Bob Dylan Fan gilt.
Aber bei solch positiver "Propaganda" könnte sich das eines Tages ändern ...
Gruß aus dem Herzen der Welthafenstadt Hamburg
HeyHo, wundervoll beschrieben.
AntwortenLöschenDas erinnert mich an meine Reise mit dem Plattenkoch nach Berlin.
Auch schon drei Jahre her. Tztz, wie die Zeit vergeht...
Jetzt freue ich mich noch mehr als ohnehin schon auf den übermorgigen JDD. ;-)
Musische Grüße,
TH